Digitale Transformation des Einkaufs - «Alexa: Was soll ich kaufen»
Der Onlinehandel spaltet die Gemüter. Für die Konsumenten eröffnet sich ein neues, unterhaltsameres und persönlicheres Einkaufserlebnis. Dafür geben sie intime Daten Preis, die Onlinehändler akribisch sammeln und auswerten. Dennoch wachsen digitale Einkäufe rasant und nachhaltig.
Die digitale Transformation hat den Einzelhandel bereits vor Jahren erreicht. Dabei wurde zunächst der Versand-handel ins Internet verlegt. Die Wertschöpfungskette weitet sich nun aber rasant aus. Sekündlich werden im Zusammenhang mit Internetaktivitäten Milliarden Megabytes an Daten als «Big Data» gesammelt und mittels künstlicher Intelligenz ausgewertet. Den regionalen und regulativen Möglichkeiten der Kaufkraftsegmentierung aber auch dem trendgesteuerten Verkauf steht eine nahtlose Vernetzung der Produktion, Lagerhaltung, Logistik und Zahlungssystemen gegenüber.
Dies ist der zweite von sieben Teilen der Serie «Digitale Transformation – Der Weg in die Zukunft». In der Serie wird anhand von fünf Treibern erläutert, wie die Digitalisierung Geschäftsmodelle verändert und wie Investoren daran partizipieren können. Hier geht es zur Einführung und zum Überblick über die Serie.
Alles zusammen stimuliert Umsatz und Profitabilität. Die Erwartungen sprechen eine klare Sprache: Bis 2023 wird für den weltweiten Einzelhandel ein jährliches Wachstum von 4.5 % erwartet. Laut Statista nehmen die Bestellungen über das Internet um über 16 % zu.
Einige Unternehmen haben das verstanden. Der amerikanische Sportartikelherstellers Nike bestätigt dies in seiner jüngsten Quartalsberichterstattung. So wuchs der Umsatz für Nike in den USA im ersten Quartal des neuen Geschäftsjahrs 2020 um 4 %. In seiner Online-Division «Nike Digital» stiegen die Umsätze allerdings um 30 %. Mit einem Zuwachs von 70 % war der digital getätigte Umsatz in China noch ausgeprägter. Dabei wurde ein Grossteil der Bestellungen mobil ausgelöst und sorgte für einen deutlichen Anstieg der Gewinnmargen.
Einfluss der fünf Schlüsseltechnologien
Die Individualisierung der Masse
Der Onlinehandel verändert das Kaufverhalten drastisch. Obwohl die Mehrheit der Konsumenten weiterhin gerne zum Einkaufen geht, ist es definitiv «out», sich in grossen, stickigen Kaufhäusern durch die Angebote zu wühlen, um dann mit schweren Einkaufstaschen durch den Stadtverkehr nach Hause zu stolpern.
Einkaufen muss schnell, bequem, intuitiv und inspirierend sein. Der Erfolg von Nike zeigt, wie der moderne Einzelhandel lernt, Kunden direkt und individuell anzusprechen. Über 90 % der Unternehmen, die im Internet Werbung schalten, tun dies auch bei Facebook. Basierend auf einer Umfrage in den USA schliessen von den Facebook-Nutzern, die auf einen Werbebanner klicken, 26 % einen Kauf ab.
Will ein Einzelhändler im Internet erfolgreich sein, so lässt er sich von Facebook oder Google beraten, denn sie sind es, die diese Daten sammeln, auswerten und vermarkten. Auch kommen neue Marketingspieler auf die Bühne. Waren früher die Haustürvertreter stimulierende Akteure im Versandhandel, sind es heute sogenannte Influencer, die über digitale Medien für die Vermarktung von Produkten an bestimmte Zielgruppen sorgen.
Alle Faktoren zusammen sollen den digitalen Handel ankurbeln. Dies bestätigt eine diesjährige Studie des deutschen Internetportals «Idealo». 52 % der befragten Käufer gaben an, den letzten getätigten Internetkauf nicht beabsichtigt zu haben, respektive dazu «verführt» worden zu sein. Die Expertise für diesen Erfolg liefern die Kunden selbst. Denn jegliches Surfen im Internet und dabei vor allem das Nutzen sozialer Medien, hinterlässt Rückschlüsse auf den User. Laut Studien der Universitäten Cambridge und Stanford sind die Userdaten präziser als die Empfehlung von Freunden oder Familie. Unheimlich? Ja, aber harte Realität.
Preistransparenz, eine grosse Auswahl, sowie eine schnelle Zustellung betrachten Kunden als entscheidend, um online einzukaufen und dem Anbieter treu zu bleiben. In China festigte sich der auf Unterhaltung und Nahrungsmittel spezialisierte Onlinehändler Meituan-Dianping auf diese Weise seine Marktstellung und wächst rasant.
Das Unternehmen spezialisierte sich zuerst auf den Vertrieb lokaler Konsumgüter und weitete seine Dienstleistungen im Bereich Nahrungsmittel, Restaurants, Hotels aber auch Unterhaltung aus. Dabei liefert es nicht nur die Waren aus, sondern bietet auch Autos und Fahrräder an, um zu den Restaurants zu gelangen. Das 2010 gegründete Start-Up kam 2018 an die Börse und erreicht heuer erstmals die Gewinnzone. Mit 420 Mio. Kunden in über 2’800 Städten hat sich Meituan-Dianping in China als ernsthafter Wettbewerber etabliert.
In den USA liefern sich die Ladenkette Walmart und der Internethändler Amazon einen harten Wettbewerb und bieten an ersten Standorten eine Lieferung binnen sechs Stunden an. Entscheidend dabei sind vor allem Nahrungsmittel, die über 40 % des Einzelhandels ausmachen. Welche Bedeutung Lebensmittel für die Zukunft des digitalen Handels haben, zeigt die Übernahme von Whole Foods Market durch Amazon im Juni 2017.
Die Übernahme eines Offline-Lebensmittelhändlers durch ein Internetunternehmen ist wegweisend. Das Einkaufs–erlebnis wird mehr und mehr in das tägliche Leben der Kunden eingebettet. Etablierte Warenhäuser bleiben auf der Strecke. Investoren haben in den vergangenen zehn Jahre mit Aktien der traditionellen US-Warenhäuser kein Geld verdient, der Internethandel hat sich in dieser Zeit fast versiebenfacht. Wer sich nicht wie Walmart anpasst, geht Konkurs.
Online schlägt Offline in den USA (indexierte Performance)
Click & Pay
Der digitale Einzelhandel krempelt auch die Art und Weise um, wie bezahlt wird. Die Kreditkarte ist heute nur noch eines von vielen Zahlungsmitteln und viele Digitalunternehmen wie PayPal aber auch Facebook drängen sich vor. Die Wege dahin sind unterschiedlich: PayPal ist ein klassischer Online-Finanzdienstleister während Facebook mit Libra eine eigene Währung schaffen möchte. Facebook will mit Libra kein Geld verdienen, vielmehr stehen die mit den Transaktionen verbundenen Daten im Vordergrund. Entscheidend für die Akzeptanz von Zahlungsmitteln ist allein das Vertrauen der User, sie stehen den sogenannten Kryptowährungen mehrheitlich kritisch gegenüber.
Der letzte wichtige Pfeiler im Onlinehandel ist der Transport. Etablierte Transportunternehmen passen ihre Kompetenzen den schnellen Transaktionen des Internethandels an, nehmen dabei vor allem aber die Rolle des Auslieferers ein. Online-Logistik beginnt allerdings schon bei der Produktion der Waren. In Kombination mit dem Wissen um digitale Bestellvorgänge, der Beschaffenheit der Waren und den regionalen aber auch überregionalen Vorschriften (unter anderem Zoll- und Einfuhrbestimmungen) lässt sich ein intelligenter und schneller Transport organisieren.
Das kanadische Unternehmen Descartes Systems hat sich dabei in den vergangenen Jahren zu einem international anerkannten Spezialisten entwickelt. Mit einem Echtzeit-Monitoring hilft es Unternehmen, die verkaufte Ware im Auge zu behalten, es optimiert gleichermassen die Auslastungen und Vernetzungen der zustellenden Transportunternehmen weltweit.
Worauf gilt es zu achten?
Wer in das Thema Onlinehandel investieren möchte, sollte die gesamte Wertschöpfungskette im Blick und somit im Portfolio haben. Der technologische Aspekt dabei beinhaltet über soziale Medien gesteuerte Online-Marketing-Expertise bis hin zu komplexen Bezahl- und Logistiksystemen. Bei Online-Einzelhändlern haben Investoren die Chance, am internationalen Konsumwachstum, aber auch an überregionalen Produktetrends, zu partizipieren. Aus dieser Perspektive bietet der Onlinehandel eine ungewöhnlich reizvolle und aussichtsreiche Investitionsbandbreite.
Anlageideen dazu hat Ihre persönliche Kontaktperson der VP Bank.
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Bernd Hartmann, Leiter Group Investment Research
Harald Brandl, Senior Equity Strategist
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