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Was Geld anlegen und Tennis spielen gemeinsam haben

Felix Brill, Chief Investment Officer
Lesedauer: 3 Min
Früh anfangen, dranbleiben, und unerzwungene Fehler vermeiden. So gibt es auch Platz für Variationen.

Mein Neffe wird bald 17 Jahre alt und spielt gerne Tennis. Als er mich vor Kurzem zum ersten Mal nach Aktientipps gefragt hat, habe ich ihm von meiner ersten Anlageerfahrung erzählt, die viel mit Tennis zu tun hat. Und es hat geholfen: Er hat einen Indexfonds gekauft und auch noch einen Sparplan angelegt, wo er jeden Monat eine Summe, die er nicht zwingend benötigt, auf die Seite legt.

Ich wünschte, mein Onkel wäre mir damals mit Rat beigestanden. Ich habe meine ersten Investitionsversuche Ende der 1990er Jahre gemacht. Es konnte nicht schnell genug gehen, darum habe ich Aktien im «Neuen Markt» gekauft. Das war ein neues Segment an der Deutschen Börse nach dem Vorbild der US-Technologiebörse Nasdaq, wo kleinere Unternehmen Aktien verkaufen konnten, um Eigenkapital zu beschaffen.

Damals waren alle Titel gefragt, die etwas mit dem Internet zu tun hatten. Fast so wie heute Aktien angesagt sind, die einen Bezug zu Künstlicher Intelligenz haben. Welche Aktien ich damals kaufte, weiss ich nicht mehr. Die meisten Unternehmen gibt es längst nicht mehr. An was ich mich aber bestens erinnere: Nicht jede heiss gehandelte Aktie ging durch die Decke. Und wenn eine Aktie 90 Prozent an Wert verloren hat, kann der Kurs nochmals 90 Prozent fallen.

Emotionen kontrollieren

Das hat wehgetan. Das Geld war weg, mein Interesse für Aktien genauso. Dabei wäre nach dem Platzen der Internetblase 2001 ein guter Zeitpunkt gewesen, weiter in Aktien zu investieren, weil sie so enorm gefallen waren. Der Nasdaq-Index steht heute knapp elfmal höher als Ende 2001 und fast viermal so hoch zur Spitze der Internetblase im Jahr 2000.

Meine Geschichte enthält zahlreiche und leider häufige Anlagefehler, die alle irgendwie eine Parallele zum Tennis aufweisen. Darum hat wohl mein Neffe so gut zugehört. Früh anfangen, dabeibleiben, diszipliniert sein und Emotionen so gut wie möglich raushalten.

Ich habe zwar jung angefangen, aber ich hatte keine Strategie. Ich habe zu viel auf einmal investiert und nicht daran gedacht, dass zahlreiche Startup-Firmen Pleite gehen. Es wäre sinnvoll gewesen, Aktien aus verschiedenen Branchen und Ländern zu kaufen (Bankerspeak: zu diversifizieren). Dafür gibt es Fonds, ganz speziell günstigere Indexfonds. Dass ich stattdessen auf ein paar wenige Aktien gesetzt hatte, war ein unerzwungener Fehler. Im Tennis heisst das unforced error.

Mit einem Indexfonds wäre mein Verlust damals geringer gewesen. Aber ich hätte den Ball im Spiel halten können, hätte im übertragenen Sinn den Schläger nicht in die Ecke geworfen und Jahre nicht mehr drüber nachgedacht. Wie im Tennis spielt beim Geldanlegen also auch die mentale Kraft eine Rolle. Der technisch bessere Spieler kann schnell verlieren, wenn er seine Emotionen und Nerven nicht im Griff hat. Hätte ich diszipliniert und emotionslos regelmässig einen gewissen Betrag investiert, dann hätte ich auch am Tiefpunkt des Marktes gekauft und die Kurserholung nutzen können.

Auch mal den Winner suchen

Der Vergleich mit Tennis hakt zugegebenermassen in einem Punkt: Finanzmärkte finden nicht im Turniermodus statt, es gibt keine Venus Williams und keinen Roger Federer. An den Finanzmärkten gewinnt, wer diszipliniert ist und eine langfristige Sicht einnimmt. Das wäre eine schwierige Lektion für mein damaliges Ich gewesen. Heute weiss ich, es hätte sich gelohnt.

Mein Neffe wäre allerdings zu angepasst, könnte er die Finger von «heissen» Aktien lassen. Er kauft also neben dem Indexfonds mit Sparplan noch die eine oder andere Aktie direkt. Wie beim Tennis tut Abwechslung gut. Keine unerzwungene Fehler zu machen ist eine Strategie, aber ab und zu kommt man direkt auf den Punkt, sucht den Winner, wie es in der Tennissprache heisst. Das ist ok, wenn die Basis stimmt. Darauf setzen, dass jeder dieser Versuche wirklich ein Winner wird, sollte er nicht. Aber das weiss er ja vom Tennis aus eigener Erfahrung.

An den Finanzmärkten gewinnt, wer diszipliniert ist und eine langfristige Sicht einnimmt.

Dr. Felix Brill Chief Investment Officer
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