Eine gute Balance ist entscheidend
Für manche Menschen wird die Tragbarkeit von Immobilien im Alter zur Herausforderung. Können Sie das aus eigener Erfahrung bestätigen?
Nach der Pensionierung sinkt das Einkommen in der Regel deutlich. AHV- und Pensionskassenrente zusammen decken oft nur 60 bis 80 Prozent des früheren Einkommens. Deshalb ist es wichtig, Situationen zu vermeiden, in denen die Bank zusätzliches Eigenkapital fordert, um das Risiko für die Bank zu minimieren.
Warum geraten Immobilienbesitzer nach der Pensionierung in Schwierigkeiten?
Viele Hausbesitzer tilgen vor der Pensionierung einen Grossteil ihrer Hypothek, um mit möglichst wenig Schulden in den Ruhestand zu gehen. Das ist gut, solange man noch genügend liquide ist. Das Vorgehen kann also ein Trugschluss sein. Entscheidend ist, eine gute Balance zwischen Sicherheit (tiefe Schulden) und Flexibilität (genügend liquide Mittel) zu haben. Besonders nach der Pensionierung.
Ist es also keine gute Idee, die Hypothek vor der Pensionierung auf Teufel komm raus abzuzahlen?
Es kommt auf die persönliche Situation an. Besonders in Liechtenstein, wo relativ häufig konservativere Ansichten über Schulden verbreitet sind, raten Freunde oder Familie teilweise dazu, das Haus möglichst weitgehend abzubezahlen. Doch das kann riskant sein. Es bleibt entscheidend, genügend Eigenkapital verfügbar zu halten, auch für Unvorhergesehenes. Schliesslich kann man einen Backstein nicht essen, und eine Hypothek nach der Pensionierung zu erhöhen, ist nicht mehr so einfach wie im Erwerbsleben.
Wie können Immobilienbesitzer solche Probleme vermeiden?
Es lohnt sich, spätestens mit 50 Jahren über die Vermögensplanung nachzudenken. Soll ich mein Geld anlegen oder die Hypothek schrittweise tilgen? Oder beides, gut abgestimmt. Dabei sollte das Risiko immer zur eigenen Lebenssituation passen. Wer erst kurz vor der Pensionierung merkt, dass die Hypothek zu hoch ist, gerät leicht in Schwierigkeiten.
Wie hoch sollte die Hypothek im Ruhestand sein?
So hoch, dass man gut schläft, mit einer guten Balance zwischen Sicherheit und Flexibilität. Wer zum Zeitpunkt der Pensionierung rund 20 Prozent Restschuld hat, hat viel getilgt. Umgekehrt: Wer zwei bis drei Jahre vor der Pensionierung noch rund 60 Prozent Schulden oder mehr hat, trägt ein erhöhtes Risiko. Dann muss geprüft werden, ob zusätzliche Einnahmequellen vorhanden sind. Wer nur auf AHV und Pensionskasse angewiesen ist und mit einer zu hohen Hypothek in den Ruhestand geht, riskiert allenfalls die Tragbarkeit seiner Immobilie.

Entscheidend ist, eine gute Balance zwischen Sicherheit und Flexibilität zu haben. Besonders nach der Pensionierung.
Daniel Kohler Head of Wealth Planning
Hat sich die Problematik in den letzten Jahren verschärft?
Das Thema ist heute präsenter, weil die Medien stärker darauf hinweisen. Gleichzeitig sind die Pensionskassen-Renten seit 1999 um rund ein Viertel bis ein Drittel gesunken, wodurch sich die Problematik verschärft. Auf der anderen Seite wurde durch die stark steigenden Immobilienpreise in den vergangenen Jahren auch Eigenkapital in der Immobilie aufgebaut. Entscheidend für die Bank ist jedoch immer primär die langfristige Tragbarkeit der Schuldenbelastung.
Anhand welcher Faktoren bewerten die Banken, ob ein Kreditnehmer noch in der Lage ist, sein Immobilienbesitz zu finanzieren?
Eine Bank prüft sämtliche regelmässigen Einkommen, die eine Person hat. AHV- und Pensionskassenrenten und mögliche Zusatzeinnahmen, die regelmässig und sicher fliessen. Etwa aus vermieteten Immobilien. Auch Anlagevermögen wird unter Umständen berücksichtigt, allerdings mit einer sehr konservativen Sicht. Manche Banken kalkulieren mit einem Vermögensverzehr, um die Zinsbelastung langfristig zu decken. Entscheidend ist, dass die Bank die finanzielle Gesamtsituation des Kunden bewertet.
Mit welchen Zinssätzen rechnen Banken?
Für Hypotheken kalkulieren Banken mit höheren Zinssätzen als den aktuellen. Momentan liegt der Satz für eine zehnjährige Festhypothek bei rund 2 Prozent. Langfristig rechnen Banken jedoch mit 4,5 bis 5 Prozent. Diese vorsichtige Schätzung schützt Kreditnehmer vor Risiken.
Warum kalkulieren Banken pessimistisch?
Eine konservative Schätzung ist im Interesse des Kreditnehmers. Niemand möchte eine Hypothek, die in schlechten Zeiten nicht tragbar ist. Im Extremfall könnte ein Immobilienbesitzer gezwungen sein, sein Haus zu verkaufen.
Wie oft kommt es dazu?
Sehr selten. In meiner beruflichen Laufbahn habe ich nur wenige solcher Fälle erlebt. Meistens finden Banken und Kreditnehmer gemeinsam Lösungen, etwa durch zusätzliches Eigenkapital. Familienmitglieder können beispielsweise mit Darlehen aushelfen. Ob solche familieninterne Darlehen gefühlsmässig passen, hängt von der persönlichen Situation ab. Besser ist, frühzeitig vorzusorgen und genügende Sicherheiten zu haben.