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Die grossen Fragen zum Fall Evergrande

Bernd Hartmann
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Die drohende Pleite des chinesischen Immobilienkonglomerates Evergrande hat lange nur die asiatischen Börsen beschäftigt. Zuletzt rückten aber Sorgen um eine Belastung und Ansteckung des globalen Finanzsystems in den Vordergrund. Evergrande ist hoch verschuldet und in Zahlungsverzug geraten. Zwar wurde heute Mittwoch angekündigt, die fällige Zinszahlung für eine lokale Anleihe zu leisten, doch es wurden keine Angaben zur fälligen Offshore-Anleihe, die internationale Investoren halten, gemacht.

Wie kam es dazu?
Die Immobilienpreise und Mieten in den chinesischen Städten sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Zuletzt versuchte die Regierung die Spekulation mit restriktiven Massnahmen einzudämmen, um so die Preise zu stabilisieren. Die Kursanpassung der chinesischen Führung hin zum «gemeinsamen Wohlstand» (siehe dazu unsere Einschätzung "Chinas Kampf gegen die Ungleichheit") hat bereits im Juli zu einem Rückgang der Immobilienverkäufe geführt. Gleichzeitig kann aus dem Kurswechsel eine geringere Bereitschaft, hochverschuldeten Unternehmen zur Hilfe zu eilen, abgeleitet werden. Auch die potenzielle Einführung einer Immobiliensteuer würden den Markt abkühlen.
Die Probleme von Evergrande sind schon länger bekannt, die Bonitätsnoten dementsprechend tief. Auch andere hochverschuldete Unternehmen wie Huarong oder HNA sind in Schieflage geraten. Die chinesische Führung verfügt also mittlerweile über Erfahrung in der Abwicklung von überschuldeten Unternehmen. Allerdings ist die Dimension von Evergrande nochmals weitaus grösser.
 
Wieso ist das so wichtig für Anleger?
Aufgrund der Grössenordnung von Evergrande bestehen bei einem ungeordneten Ausfall kurzfristige Risiken für die chinesische Konjunktur und das Finanzsystem. Die Immobilien-Branche war bisher ein wichtiger Wachstumstreiber, auf die knapp 30 % des Bruttoinlandprodukts entfallen. Ein Wachstumseinbruch Chinas würde sich auch auf die globale Wirtschaft auswirken.
Die direkten Auswirkungen eines möglichen Ausfalls auf das globale Finanzsystem sind hingegen unklar. Die Finanzierungsstruktur ist äusserst undurchsichtig, was eine Beurteilung der Folgen erschwert. Die von verschiedenen Seiten auf rund USD 300 Mrd. geschätzten Schulden wurden über Anleihen, Bankkredite und auch über das Schattenbanksystem aufgenommen.
Europäische und amerikanische Banken dürften nur vereinzelt – und in überschaubaren Grössenordnungen – Exposure aufweisen. Aufgrund des tiefen Kreditratings sollten nur sehr risikobewusste Anleger engagiert sein.
Anders sieht es in China aus: Evergrande hat sich grösstenteils über den lokalen Markt finanziert. Chinas Grossbanken haben Rückstellungen für faule Kredite gebildet, doch einzelne und kleinere Institute könnten durchaus hart getroffen werden. Ein Grossteil der Anleihen dürfte von lokalen Investoren ausserhalb des Finanzsystems gehalten werden.
 
Wie geht es weiter?
Chinas politische Führung dürfte sich dem Ernst der Lage bewusst sein. Ziel könnte sein, den Evergrande-Konzern zu zerschlagen. Schon jetzt verkauft Evergrande sein «Tafelsilber». Damit setzt die Regierung ihren bereits eingeschlagenen Weg der Zerschlagung von Monopolstrukturen auch im Immobilienmarkt fort.
 
Wie könnte eine Lösung aussehen?
Wir gehen von einem Eingreifen der chinesischen Führung aus, es wird aber auf die genaue Ausgestaltung geachtet werden. Die Autoritäten werden versuchen mittels einer Zerschlagung von Evergrande und der damit verbundenen Liquiditätsfreisetzung ein Übergreifen auf andere Sektoren zu verhindern. Peking dürfte gleichzeitig versuchen, private Immobilienkäufer zu schützen, die ihre Wohnung bereits bezahlt haben und Hypothekarzahlungen leisten, aber auf die Fertigstellung warten. Die Regierung dürfte also die Umsetzung der Immobilien-Projekte sicherstellen.
Ein Verkauf an private Unternehmen ist bereits gescheitert. Denkbar ist, dass Eingriffe über die Regierung der Provinz Guangdong erfolgt, anstelle der Zentralregierung. Der grösste Schaden würde somit bei den Gläubigern anfallen.
Grosse Auswirkungen hätte ein langer und starker Einbruch der Immobilienpreise und -verkäufe. Dies gilt es kurzfristig abzuwenden. China könnte dafür kurzfristig von seinem eigentlichen Kurs, über eine striktere Kreditvergabe den Immobilienmarktes abzukühlen, abrücken.
 
Taktische Positionierung
Basierend auf diesem Szenario bestätigen wir unsere taktischen Positionierung. Wir halten die Aktienquote neutral gewichtet. An der letzten Sitzung des Anlageausschusses haben wir innerhalb der Themenallokation gezielt diejenigen chinesische Aktien erhöht, welche vom neuen politischen Kurs profitieren sollten. Ebenso bestätigen wir innerhalb der untergewichteten Anleihenquote die Untergewichtung von Schwellenländeranleihen zu Gunsten eines Engagements in chinesischen Staatspapieren und staatsorientierten Banken (Policy Banks). Qualitativ hochwertige Anleihen chinesischer Schuldner konnten zuletzt von den Börsenturbulenzen profitieren. 

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