Fondsstandorte und Fondsdomizile: Liechtenstein, Luxemburg und Schweiz im Fokus
Welche Fragen ergeben sich als erstes, wenn ein Asset Manager einen neuen Fonds auflegen möchte?
Ein Fonds dient dazu, eine Dienstleistung in ein Produkt zu transformieren und den Zugang zu dieser Dienstleistung somit zu vereinfachen. Deshalb ist es bei der Auflage eines Fonds zentral, die Anlagestrategie und deren Umsetzung gesamthaft zu verstehen. Ausserdem muss ein umfassendes Verständnis über die anvisierten Zielmärkte und Kundensegmente erlangt werden. Hieraus können dann die entsprechenden Erwartungen an den Standort sowie die benötigten gesetzlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen zur Strukturierung einer optimalen Fondslösung abgeleitet werden.
Welche Bedeutung erlangt dabei das Domizil eines Fonds?
Ein Fondsdomizil muss grundlegend folgende Aspekte erfüllen: Ausgezeichnete Reputation, Gewähr für politische Stabilität, Transparenz, Infrastruktur, Fachwissen und notwendige Kapazitäten für den Strukturaufbau und Betrieb von kollektiven Kapitalanlagen.
Darauf aufbauend stehen bei der Domizilwahl für eine Anlagestrategie in Form einer kollektiven Kapitalanlage unter Berücksichtigung der anvisierten Investoren und Zielmärkte folgende Themen im Vordergrund: die Flexibilität in der Ausgestaltung der Anlageidee als Finanzprodukt, das Know-how und die Qualität der für den Betrieb einer kollektiven Kapitalanlage notwendigen Dienstleister, die Akzeptanz durch die Investoren, und nicht zuletzt die Dauer des aufsichtsrechtlichen Genehmigungsprozesses der Aufsichtsbehörde.
Ebenso wichtig sind steuerrechtliche Aspekte – sowohl für die eigentliche Besteuerung auf Ebene der kollektiven Kapitalanlage als auch der Fondsbesitzer sowie der Verwendung von Doppelbesteuerungsabkommen im Hinblick auf mögliche Quellensteuern bzw. deren Rückforderung. Aufgrund der Konstellation, dass oftmals der Fondsmanager bzw. Initiator in der Schweiz ansässig ist, das Produkt bzw. die Verwaltungsgesellschaft jedoch in einem anderen Land domiziliert sind, ist das Bestehen einer funktionierenden Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden ein weiterer zentraler Faktor.
«Fondsmarkt» oder «Fondsstandort» ist nicht unbedingt gleichzusetzen mit «Fondsdomizil»? Worin liegen die Unterschiede – am Beispiel Schweiz, Liechtenstein und Luxemburg erklärt?
Es muss zwischen dem Produktionsstandort und dem Absatzmarkt unterschieden werden. Von den über ca. 12'000 in der Schweiz angebotenen kollektiven Kapitalanlagen sind ca. 20 % in der Schweiz domiziliert. Der überwältigende Anteil der offenen, ausländischen kollektiven Kapitalanlagen in der Ausgestaltung eines UCITS Fonds stammt aus Luxemburg. Liechtenstein ist als Domizil für kollektive Kapitalanlagen äusserst interessant, vornehmlich im Bereich von alternativen Anlagen – sowohl als UCITS als auch als AIF ausgestaltet, welche die auf den Schweizer Markt ausgerichteten Bedürfnisse vollumfänglich erfüllen können. Deshalb stellt die Schweiz auch den wichtigsten Markt für liechtensteinische Fonds dar. Die Schweiz wendet hier vergleichbar liberale Rahmenbedingungen an. Hierdurch können in- und ausländische Fondsanbieter (aus Sicht der Schweiz) entsprechend profitieren.
Für Schweizer Fondsanbieter ist Liechtenstein das Tor zur EU: Worin bestehen die Vorzüge, Fonds in Liechtenstein aufzulegen, gegenüber anderen EU-Fondsplätzen?
Kosten und Dauer des aufsichtsrechtlichen Genehmigungsprozesses sind neben spezifischem Fachwissen und der Fähigkeit, zielgerichtete Lösungen für anspruchsvolle Anlagebedürfnisse zu entwickeln und anzubieten, zentrale Aspekte. Für eine kleine Volkswirtschaft spielt der Marktzugang zum EU-Binnenmarkt eine wesentliche Rolle, weshalb dies für Liechtenstein immer ganz oben auf der Agenda steht. Liechtenstein ist vor allem da stark, wo hohes, spezifisches Fachwissen und die Fähigkeit gefragt sind, zielgerichtete Lösungen für anspruchsvolle Anlagebedürfnisse zu entwickeln und anzubieten.
Die Schweiz verfügt über eine Vielzahl an Unternehmen, auch mittlerer und kleinerer Grösse, die hochwertige Anlagelösungen vor allem für institutionelle Bedürfnisse entwickeln und anbieten. Die Konzentration im Bereich der nicht-traditionellen Anlagen und der Vorsorge ist überdurchschnittlich hoch. Liechtenstein kann hier ideale Lösungen bieten, um die notwendigen Skalierungseffekte mittels Zugangs zum EU-Binnenmarkt zu erzielen.
Darüber hinaus bleiben weiterhin folgende Themen ausschlaggebend für den Erfolg eines Fondsstandortes: Kompetenz, Leistungsbereitschaft, Reputation, Vertrauen, Gewähr und Sicherheit, Stabilität und privater Schutz – dies im Sinne von langfristiger Substanzerhaltung, Wertmehrung sowie zunehmend Nachhaltigkeit und Transparenz.
Bei VP Fund Solutions setzten wir auf Konzentration von Anlageklassen oder Strategien, bei denen wir einen klaren Mehrwert schaffen können.
Dr. Daniel Siepmann Head Fund Solutions
Für welche Fondsanbieter resp. Bestandteile der ganzen Wertschöpfung bietet Liechtenstein welche Vorzüge?
Die Fondsleitungen vor Ort bieten alle Dienstleistungen an und begleiten die Kunden - vom Erstgespräch bis zur Auflage und anschliessender Lancierung des Fondsproduktes. Je nach Bedarf werden Bank-, Rechts- und Steuerexperten hinzugezogen. Neben dem Risikomanagement sowie der fortlaufenden Administration offerieren die Verwaltungsgesellschaften bzw. Fondsleitungen auch aktive Unterstützung bei der Erfüllung der Formalvorgaben für den Markteintritt in unterschiedlichste Länder des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR).
Das Asset Management wird in der Regel delegiert, wobei immer mehr Kunden auch selbst eine Vermögensverwaltung in Liechtenstein aufsetzen – dies wegen des Zugangs zu Europa im Bereich von MiFID Aktivitäten. Wie bereits erwähnt ist das Gros der Asset Manager im Hinblick auf die liechtensteinische Fondsindustrie in der Schweiz beheimatet. Somit ist ein erheblicher Teil der liechtensteinischen Wertschöpfungskette bei unserem wichtigsten Partner, der Schweiz, angesiedelt.
Welche Bedeutung haben Innovationsfähigkeit und Innovationskraft in Zusammenhang mit Fondsstandorten?
Ein ideales Ökosystem, gepaart durch ein stabiles wirtschaftliches und politisches System mit moderner Infrastruktur, fördert Talente und Innovation. Innovation im Sinne von neuen Ideen und Erfindungen und deren erfolgreiche wirtschaftliche Umsetzung in neue Produkte, Dienstleistungen oder Verfahren ist oft einem Zusammenspiel von Mensch, Technik und Wirtschaft geschuldet. Innovation kann auch in der Transformation oder Abschaffung von nicht gewünschten oder veralteten Technologien, Produkten oder nicht mehr wirksamen Verfahren bestehen. Sie bedingt auch die Bereitschaft zu verändern und alte Gewohnheiten abzustreifen.
Seit der Bewilligung der ersten Fondsleitung und der Auflegung der ersten kollektiven Kapitalanlagen haben sowohl Liechtenstein als auch Luxemburg und die Schweiz ihre Agilität und Innovationskraft im Fondsbereich immer wieder unter Beweis gestellt. Wir sind meines Erachtens stark darin, rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen als Herausforderung für Neues anzunehmen und Regulierung als strategische Disziplin anzusehen. Stehen bleiben ist keine Option.
Was macht insbesondere Luxemburg zu einem derart bedeutenden Fondsstandort?
Das verwaltete Fondsvermögen in Luxemburg kennt in den letzten Jahren nur eine Richtung: nach oben. Ein wichtiger Meilenstein war das Inkrafttreten der europäischen Investment-Richtlinie im Jahr 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren – kurz: OGAW. Luxemburg hatte diese Richtlinie als erster Mitgliedstaat bereits 1988 in nationales Recht umgesetzt. Beflügelt von einer stetigen Nachfrage, hat sich die Fondsindustrie in den letzten Jahrzehnten zu einem professionellen, innovativen und leistungsstarken Industriezweig entwickelt. Mehr als 30 Jahre nach dem Start von UCITS verwalteten Luxemburger Fonds per Ende Q4 2022 ein Geldvermögen von mehr als 4 Bio. EUR. Im Falle von AIFs sind es 950 Mrd. EUR. Seit mehreren Jahren ist damit das Grossherzogtum nach den USA der zweitwichtigste Fondsstandort weltweit. Hingegen ist am Markt für Fund Management Companies (FMCs) – das Pendant zu den Schweizer Fondsleitungen – über die letzten Jahre neben Neugründungen von Gesellschaften weiterhin eine Konsolidierung von Anbietern zu beobachten. Das zeigt, dass Luxemburg weiterhin ein attraktives Domizil für die Gründung und den laufenden Betrieb einer FMC ist - aber auch, dass FMCs eine kritische Grösse und ein solides Geschäftsmodell benötigen, um überlebensfähig zu bleiben.
In welche Richtung haben sich in den letzten Jahren auf den verschiedenen Fondsplätzen die Anbieterstruktur und die zugelassenen Produkte entwickelt?
Alternativen Anlageklassen ist es in den vergangenen Jahren gelungen zu wachsen, erfolgreich zu sein und somit ihr Versprechen zu halten, anpassungsfähig und widerstandsfähig zu sein. Dies führt automatisch zu einer gesteigerten Nachfrage nach derartigen Anlagen. Konsequenz dieser Nachfrage ist eine spürbare Zunahme von Anbietern - aber auch von Dienstleistern wie Berater, Prüfer und Verwaltungsgesellschaften, welche sich auf diese spezifischen Vermögensklassen spezialisiert haben.
Wir haben uns zum Ziel gesetzt, durch unsere Beratung, die fortlaufende Erbringung unserer Dienstleistungen sowie das zur Verfügung stellen unseres Know-hows Werte für unsere Kunden sowie deren Investoren zu schaffen. Deshalb hat bei VP Fund Solutions eine Konzentration auf Anlageklassen oder Strategien, bei denen wir einen klaren Mehrwert schaffen können, stattgefunden.
Entlang der allgemeinen Marktentwicklungen haben wir deshalb in den vergangenen Jahren unser Angebot im Bereich der alternativen Anlagen erfolgreich erweitert und ausgebaut. In Anbetracht des starken und anhaltend hohen Wachstums bei illiquiden Anlageformen, Privatmarktanlagen sowie der Nachfrage nach sogenannten «liquid alternatives» wird der Fokus auf alternative Anlagestrategien fortgesetzt und somit mittels AIFs und UCITS Fonds umgesetzt.
Wie hat sich Liechtenstein in den letzten Jahren nach Einführung auch von AIFMD weiterentwickelt?
Die Fondsbranche in Liechtenstein hat sich besonders in den letzten Jahren hervorragend entwickelt. Nachdem bis Ende 2015 die Zahl der Anbieter vor allem durch Fusionen konstant zurückgegangen ist, hat sich der Markt stabilisiert und es sind sogar neue Anbieter hinzugekommen. Auch bei der Anzahl der Fonds hat sich die Branche beeindruckend entwickelt – und das vor allem im Bereich von Private Label Fonds (PLFs). 2022 gab es zum sechsten Mal in Folge eine neue Höchstmarke bei den jährlichen Gründungen von PLFs für Initiatoren, die zum grössten Teil ausserhalb von Liechtenstein ansässig sind. Liechtenstein ist damit einer der wichtigsten Cross Border Hubs für PLFs in Europa.