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Der Franken lässt die Muskeln spielen

Lesedauer: 6 Min
Die aktuelle Stärke des Franken dürfte von temporärer Natur sein. Wir rechnen im Jahresverlauf mit etwas höheren Notierungen des Wechselkurspaares EUR/CHF. Erst aber werden die Devisenmärkte die Schweizerische Nationalbank (SNB) herausfordern. Denn seit die USA die Schweiz erneut auf die Liste von Währungsmanipulatoren gesetzt hat, ist die SNB in der Defensive.

Der Franken ist Mitte Januar aus seiner seit August bestehenden Handelsspanne von CHF 1.08 bis 1.10 ausgebrochen und lässt seither gegenüber dem Euro die Muskeln spielen. Initialzündung für die Stärke war die Zuspitzung des politischen Konflikts zwischen den USA und dem Iran. Steigende geopolitische Risiken haben sicherheitsbewusste Anleger in den Franken getrieben.

Mittlerweile reibt man sich verwundert die Augen: Die Iran-Streitigkeiten haben an Brisanz verloren. Gleichzeitig hat sich der Handelskonflikt zwischen den USA und China merklich entspannt und auch die Brexit-Sorgen sind in den Hintergrund getreten. Trotz der Entspannungssignale startete der Franken eine erneute Aufwertungsavance. Ist etwa die Erklärung dafür gar nicht in der Stärke der eidgenössischen Valuta, sondern in einer Schwäche des Euro? Nein. Die europäische Gemeinschaftswährung zeigt handelsgewichtet weder eine besondere Stärke noch eine besondere Schwäche. Der Euro ist derzeit also eine neutrale Grösse.

Latte für Deviseninterventionen höher

Versuchen wir die Franken-Entwicklung einmal über einen anderen Weg zu erklären und erweitern den Blickwinkel. Die eidgenössische Valuta hat auch gegenüber dem Dollar zugelegt. Möglicherweise ist die Begründung für die Stärke des Frankens also mehr auf der Dollar-Seite zu suchen. Und tatsächlich, da war was. Die USA haben die Schweiz Mitte Januar wieder auf ihre Liste derjenigen Staaten gesetzt, die als potenzielle Währungsmanipulatoren beobachtet werden. Die Eidgenossenschaft war bereits von Oktober 2016 bis Oktober 2018 auf dieser Liste vertreten. Es besteht also durchaus das Risiko, dass sich US-Präsident Donald Trump nach der Unterzeichnung eines Teilabkommens mit China zukünftig verstärkt den europäischen Handelspartnern widmet. Dabei kommt auch die Schweiz unter Druck wegen des hohen bilateralen Handelsbilanzüberschusses und wegen der Devisenmarktinterventionen, auch wenn sich die SNB nicht in der Defensive wähnt. Im schlimmsten Fall drohen Sanktionen.

Das ist für einige Devisenmarktteilnehmer eine willkommene Einladung, um die Grenzen der Schweizerischen Nationalbank auszuloten. Anleger dürften darauf spekulieren, dass die SNB einer Aufwertung des Franken toleranter gegenübersteht. Die Abwertungsrisiken der Währung werden also neu bewertet, was die Wahrnehmung als «sicherer Hafen» sogar noch verstärken könnte. Im vergangenen Jahr intervenierte die SNB im Bereich der Marke von CHF 1.08 pro Euro. Dies legt zumindest die Entwicklung der wöchentlich publizierten Sichteinlagen der Nationalbank nahe.

Die Interventionsgrenze der SNB scheint sich jedoch sukzessive nach unten verschoben zu haben. Zuletzt waren keine Eingriffe der SNB am Währungsmarkt auszumachen. Die Sichteinlagen blieben weitgehend konstant. Das heisst nicht, dass die Währungshüter in Bern nicht mehr willens sind, einzugreifen. Vielmehr dürfte die Schwelle wohl unter CHF 1.07 liegen. Einem unkontrollierten Anstieg wird die SNB aber trotz der Währungsmanipulator-Verdächtigung aus den USA nicht tatenlos zusehen. Die USA tolerieren Devisenkäufe von bis zu 2 % des Bruttoinlandprodukts (BIP). 2019 hätte die Schweiz dieses Kriterium verletzt. Die Währungsreserven stiegen um CHF 28 Mrd., was rund 4 % des BIP entspricht. Punktuelle Eingriffe der SNB sind weiterhin in begrenztem Umfang möglich, ohne dass dies unmittelbar weiteren Ärger aus Washington nach sich zieht. Mit einem abrupten Ende der aktuellen Franken-Stärke ist deshalb nicht zu rechnen. Die Devisenmärkte haben gewissermassen Lunte gerochen.

Entwicklung des Euro zählt

Über den Tellerrand hinausgeblickt, ist aus unserer Sicht die Entwicklung des Euro entscheidend. Entfaltet die europäische Gemeinschaftswährung im Jahresverlauf eine breitere Stärke gegenüber den wichtigsten Währungen, würde sich dies auch im Wechselkurs gegenüber dem Franken niederschlagen. Die zwei Währungspaare EUR/USD und EUR/CHF bewegen sich seit Aufgabe des SNB-Mindestwechselkurses von CHF 1.20 im Januar 2015 im Gleichklang.

EUR/CHF und EUR/USD

Übergeordnet geht es also um die Frage, ob der Euro stark oder schwach ist. Tatsächlich hätte die Gemeinschaftswährung Potenzial für eine breite Aufwertung. Sowohl gegenüber dem Dollar als auch gegenüber dem Franken ist der Euro unter kaufkraftparitätischen Gesichtspunkten, als unter Berücksichtigung der Inflation, deutlich unterbewertet. Die schwache wirtschaftliche Entwicklung in der Eurozone dürfte derzeit aber wie eine Handbremse wirken. Zwar stehen die Zeiger vieler Konjunkturfrühindikatoren auf Erholung, aber noch herrscht Skepsis an den Devisenmärkten, ob sich der Trend bestätigt. Die Eurozone befindet sich wegen ihrer automobillastigen Wirtschaft vor allem von Deutschland inmitten eines strukturellen Wandels. Die Umstellung auf die Elektromobilität kostet Wachstumspotenzial. Auch der Brexit ist keineswegs abschliessend gelöst. Die Aushandlung eines Freihandelsabkommens zwischen der EU und Grossbritannien wird schwierig werden. Der Ton beidseits des Ärmelkanals klingt rau. Erschwerend kommt eine schwierige Situation innerhalb der italienischen Regierung hinzu. In Rom hallt bereits schon das Wort «Neuwahlen» durch die Gassen. In Anbetracht dieser Belastungsfaktoren springen die Ampeln für den Euro bislang noch nicht auf grün. Sollten sich allerdings die zu erkennenden wirtschaftlichen Erholungstendenzen im Euroraum festigen und versöhnlichere Worte zwischen Brüssel und London erkennbar sein, könnte der Euro Kursgewinne verbuchen.

Fazit

Die aktuell niedrigen Notierungen des Währungspaares EUR/CHF sollten temporärer Natur sein. An den Devisenmärkten wird derzeit die Interventionspolitik der SNB auf den Prüfstand gestellt. Aus unserer Sicht wird aber vielmehr die Frage entscheidend sein, wie sich der Euro entwickelt. Kommt es im weiteren Jahresverlauf zu einer zumindest moderaten Stärke der europäischen Gemeinschaftswährung, wird dies auch im Franken spürbar. Der Franken hat aus unserer Sicht dann auch wieder Chancen sich auf Niveaus von etwas über CHF 1.10 gegenüber dem Euro abzuschwächen.

Wer ist für die USA ein Währungsmanipulator?

 

Das amerikanische Finanzministerium analysiert regelmässig die Währungs- und Aussenwirtschaftspolitik jedes grösseren Handelspartners. Der Währungs­manipulation kann bezichtigt werden, wer gegenüber den USA einen bedeutenden Handelsbilanz­überschuss ausweist, einen erheblichen Leistungs­bilanzsaldo im Austausch von Gütern- und Dienst­leistungen erzielt und ständig einseitig im Devisen­markt interveniert. Dabei bleibt es nicht nur bei einer qualitativen Aussage, die einzelnen Kriterien werden entsprechend quantifiziert. Die Erfüllung eines Kriteriums reicht, um auf die Liste zu kommen. 

 

Handelsbilanzüberschuss: Der Schwellenwert für das bilaterale Handelskriterium beträgt USD 20 Mrd. oder 0.1 % des Bruttoinlandprodukts (BIP) der USA.

 

Leistungsbilanzüberschuss: Der Grenzwert liegt bei 3 % des BIP des betreffenden Landes.

 

Devisenmarktinterventionen: Wenn ein Land mit einem Volumen von mehr als 2 % des BIP interveniert, wird dieses Kriterium erfüllt. Aktuell werden neun Länder der Währungsmanipulation beschuldigt.

Im Einzelnen gehören dazu: Japan, Südkorea, Deutschland, Italien, Irland, Singapur, Malaysia, Vietnam und die Schweiz. China steht weiterhin auf der Liste, wird aber nicht mehr der tatsächlichen Währungsmanipulation bezichtigt.

 

Verantwortlich für den Inhalt
Bernd Hartmann, Leiter CIO Office
Autor: Dr. Thomas Gitzel, Chefökonom

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