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Wie die Blockchain-Technologie die Finanzwelt verändert

Dominik Kara, Head of Distributed Ledger Technology Business Engineering
Lesedauer: 5 Min
Dominik Kara, Head of Distributed Ledger Technology Business Engineering, schreibt in der Börsen-Zeitung über die Tokenisierung von physischen Vermögenswerten. Token, VR, AR, NFT und Krypto sind heute alltägliche Türöffner und Stolpersteine zugleich. Je nach Perspektive eröffnen sie neuartige Wege für Kundinnen und Kunden sowie Finanzdienstleister, um jenseits von klassischen Finanzprodukten und Marketingkanälen mit Unternehmen zu interagieren und exklusive Kundenerlebnisse zu kreieren.

Physische Vermögenswerte lassen sich dank der Blockchain-Technologie einfach und transparent digital abbilden. Durch die tokenbasierte Aufteilung von Vermögenswerten können geteilte Eigentumsverhältnisse einfach abgebildet und die Token wie klassische Wertpapiere ins Portfolio eingebucht werden. Eine Tokenisierung ist dabei nicht nur auf digitale Objekte beschränkt, sondern für alle möglichen Formen von Vermögenswerten, unabhängig davon, ob diese real bestehen oder nicht. Betrachtet man die Möglichkeiten der Blockchain-basierten Abbildung in der heutigen Welt, stellt man fest, dass auch die bislang eher vernachlässigte Tokenisierung von physischen Gegenständen ein unglaubliches Einsatzpotenzial hat.

Die moderne Blockchain-Gesetzgebung in Liechtenstein ermöglicht es, die Eigentumsverhältnisse von Wertobjekten aller Art auf Token zu dokumentieren und daraus einklagbare Vermögensrechte zu generieren. Die VP Bank ist bei der Finanzmarktaufsicht Liechtenstein als Anbieterin für die Tokenisierung registriert und nutzt dieses Privileg auch, um beispielsweise Sammelwerte zu tokenisieren.

Vermögensübersicht und Transparenz

Durch eine Tokenisierung lassen sich Sammelwerte, beispielsweise ein Kunstwerk oder eine Uhr, ganz einfach wie klassische Wertpapiere ins Portfolio einbuchen. Auf diese Weise entsteht ein gesamtheitlicher Vermögensüberblick, mit dem zahlreiche Vorteile verbunden sind. Zum einen sind damit die Sammelwerte im periodischen Vermögensauszug transparent dargestellt und können in die Performanceberechnung miteinbezogen werden. Zum anderen besteht die Möglichkeit, physische Objekte im periodischen Steuerausweis zu integrieren. Ergänzend ist es möglich, in Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Anbieter auch maßgeschneiderte Risikoanalysen für Sammlungen anzubieten.

Ein Beispiel: Luxemburger Fonds stehen oft vor der Herausforderung, eigens erstellte Listen von illiquiden Objekten, wie beispielsweise Gemälden, mit den Daten aus klassischen Depotauszügen zu aggregieren. Dieser Aufwand erübrigt sich, wenn die Sammelwerte tokenisiert und die Token ins Portfolio eingebucht werden. Der periodische Vermögensauszug enthält so nicht nur sämtliche Vermögenswerte, sondern auch umfassende Performanceberechnungen für die digitalen Vermögenswerte. Als Zusatzdienstleistung kann eine periodische Risikoeinschätzung auf Sammlungs- oder Einzelobjektebene bezogen werden.

Physische Vermögenswerte lassen sich dank der Blockchain-Technologie einfach und transparent digital abbilden.

Dominik Kara Head of DLT Business Engineering

Geteiltes Eigentum und Nachlassplanung

Token können in beliebiger Stückzahl erstellt werden. Daher eignen sie sich optimal zur kostengünstigen, transparenten Abbildung geteilter Eigentumsverhältnisse an physischen Objekten. Dies kann beispielsweise die Nachlassplanung oder auch den gemeinsamen Erwerb von emotionalen Sammelwerten vereinfachen. Zusätzlich können durch den Transfer von Token Eigentumsverhältnisse spielend leicht und sicher angepasst werden.

Beleuchtet man dies in der Praxis, wäre zur Gewährleistung einer fairen Aufteilung des Wertes auf die Erbengemeinschaft eine Veräusserung des Sammelwertes im Rahmen einer Testamentsvollstreckung nicht mehr zwingend erforderlich. Stattdessen können Token verwendet werden, um das Eigentum am physischen Gegenstand kostengünstig, transparent und flexibel unter den Erben aufzuteilen. Möchte ein Erbe seinen Anteil veräussern, können die Token zum festgelegten Wert an einen geeigneten Käufer oder an die übrigen Erben transferiert werden. Eine Not-Veräusserung des gesamten Sammelwertes kann so vermieden werden.

Bewertung, Dokumentation und digitales Marketing

Vertrauen ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für das nachhaltige Agieren am Finanz- und Kunstmarkt. Unvollständige oder mangelhafte Dokumentation können dieses Vertrauen jedoch beeinträchtigen und die Wertentwicklung von Kunstwerken negativ beeinflussen. Im Vorfeld einer Tokenisierung kann durch die Überprüfung der Dokumente nach branchenüblichen Standards und der Veranlassung zusätzlicher Abklärungen dieses Vertrauen gestärkt werden. Die dadurch entstehende Transparenz wird zum Beispiel am Kunstmarkt erfahrungsgemäß positiv wahrgenommen. Darüber hinaus verschafft eine qualitativ hochwertige Dokumentation auch einen entscheidenden Vorteil bei zukünftigen Transaktionen. Durch die Tokenisierung können die Vorteile der Blockchain-Technologie wie Nachvollziehbarkeit und Transparenz mit den gewohnten Sicherheitsstandards eines regulierten Finanzmarktteilnehmers kombiniert werden. Auch ist eine Online-Präsentation über einen 3D-Raum möglich, um noch mehr potenzielle Kundinnen und Kunden anzusprechen.

Heute hat Luxemburg durch die Aufsichtsbehörden bestimmte Vorschriften (z.B. Communiqué on VASPs) publiziert, die sich mit den Vorschriften und Anforderungen an Krypto- und Blockchain-Dienstleistungen befassen. Demzufolge wurde bereits im Jahr 2021 ein Schwerpunkt auf den Investorenschutz sowie auf die Anforderungen an Finanzdienstleister gelegt, um das Vertrauen in den Markt zu stärken.

Europäische Harmonisierung

Bisher unterlagen solche digitalen Vermögensanlagen innerhalb der Europäischen Union unterschiedlichen nationalen Regelungen, wobei mit der Umsetzung der 5. EU-Geldwäscherichtlinie bereits eine gewisse Mindestharmonisierung der Regulierung von Dienstleistern in Bezug auf virtuelle Währungen erreicht wurde. Mit der Markets for Crypto-Assets Regulierung (MiCAR) wird das Ziel verfolgt, die Blockchain-basierten Märkte innerhalb der Europäischen Union zu regulieren und so einen einheitlichen Rechtsrahmen zu schaffen. Dabei sollen nicht nur die Anlegerinnen und Anleger geschützt werden, sondern auch Finanzstabilität und Innovationsförderung innerhalb der Union gewährleistet werden.

Damit einhergehend wird es voraussichtlich ab 2024 möglich sein, Eigentumsansprüche an physischen Gegenständen rechtssicher auf der Blockchain aufzusetzen und aus Luxemburg heraus in der gesamten EU anzubieten. Der Bankenverband in Luxemburg arbeitet dabei mit den Marktteilnehmern eng zusammen, um möglichst früh auf die Vernehmlassungen zu reagieren und so die Finanzbranche fit für die kommenden Chancen zu machen.

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