Schwellenländer neu sortiert
Noch lässt sich nicht von einer Post-Corona-Welt sprechen, aber die Weltwirtschaft befindet sich bereits im Aufschwung. Das waren in der Vergangenheit gute Zeiten für Schwellenländer.
Der Zeitpunkt ist also günstig, die breitgefächerte Gruppe von Schwellenländern genauer anzuschauen. Nun ist Schwellenland aber nicht gleich Schwellenland. Das wissen wir nicht erst seit dem BRIC-Hype, ausgelöst durch eine vor 20 Jahren veröffentlichte Studie der Investmentbank Goldman Sachs.
Deshalb haben wir für die neue Ausgabe unseres Investmentmagazins «Teleskop» ausgewählte Schwellenländer auf ihre Attraktivität für Investoren beurteilt. Um sie zwar differenziert, aber nicht isoliert bewerten zu müssen, haben wir fünf Kriterien definiert und zu einem Indikator zusammengefasst: Wohlstand, Demografie, Bildung, Stabilität und Kapitalmarkt. Dieser erlaubt es, die ausgewählten 28 Länder untereinander zu vergleichen und eine Rangliste der Attraktivität zu erstellen (das gesamte Ranking gibt es im Heft, hier)
Gewinner ist das südostasiatische Land Vietnam, gefolgt von zwei Staaten, die auf den ersten Blick etwas überraschen mögen: Uruguay und Peru. Weniger erstaunlich dagegen das Ende der Rangliste: Dort finden sich die Ukraine auf dem letzten, Nigeria auf dem vorletzten und Tunesien auf dem drittletzten Platz.
Weil eine solche Rangliste nicht im luftleeren Raum existiert, haben wir uns deshalb die Frage gestellt, welche Themen neben Corona und der wirtschaftlichen Erholung in den nächsten Jahren prägend sein könnten.
Dazu haben wir drei Gruppen gebildet:
- Gruppe: Schwellenländer des Verbands Südostasiatischer Staaten ASEAN
- Gruppe: Schwellenländer Lateinamerikas in der Falle des mittleren Einkommens
- Gruppe: Fünf fragile Schwellenländer mit Leistungsbilanzdefiziten
Von diesen drei Gruppen ist die erste unser Favorit. Die Gruppen zwei und drei machen deutlich, dass Schwellenländer sehr breit gefächert sind und wie im Beispiel von Brasilien oder Indonesien im Zusammenhang mit Agrarprodukten Themen auftauchen, die über die klassische Finanzanalyse als Entscheidungsgrundlage hinausgehen.
Allen Ländern in unserem Ranking ist gemein, dass der aktuelle Konjunkturzyklus, den wir aufgrund der Investitionsprogramme in Industrieländern den grünen Aufschwung nennen («Teleskop» Nr. 2, Dezember 2020), eine neue Chance bietet, näher an die Industrieländer heranzurücken. Eine grosse Hürde auf diesem Weg ist allerdings die Corona-Pandemie. Schwellenländer haben oft nicht die nötige finanzielle Kapazität, riesige fiskalpolitische Pakete zu schnüren, um die Wirtschaft zu unterstützen und gleichzeitig die Gesundheitskrise rasch zu bewältigen. Wir müssen daher davon ausgehen, dass je nach Entwicklung der Ansteckungen und des Impffortschritts, Covid-19 einzelne Länder in unserem Ranking zurückwerfen wird.
Unbestritten ist, dass Schwellenländer in den nächsten Jahren weiter an Gewicht gewinnen werden. Aus unserer Sicht sollte sich das auch im Portfolio widerspiegeln, indem Schwellenländern die Bedeutung eingeräumt wird, die sie verdienen.