Investment Ideen

Thematisch investieren: Umwelt und Klimaschutz

Harald Brandl, Senior Equity Strategist und Dominik Pross, Junior Investment Strategist
Lesedauer: 10 Min
Die Folgen der seit 200 Jahren währenden Industrialisierung, die vor allem auf fossilen Energieträgern beruhte, wirken zerstörerisch auf das natürliche Lebensumfeld, das Klima, die Umwelt und die Biodiversität ein. Es ist Eile geboten, um dauerhafte Schäden abzuwenden oder zu mildern. Diese Notwendigkeit stellt ebenfalls die Weichen für Investoren.

Das vergangene Jahrzehnt war das Wärmste seit Beginn wissenschaftlicher Aufzeichnungen. Dieser Vorgang wird von Klimaveränderungen und einem beispiellosen Verlust an biologischer Vielfalt begleitet. Für Natur, Tier und Mensch führt dies zu drastisch einschränkenden Lebensbedingungen, die mitunter für Menschen bereits jetzt lebensbedrohliche Züge annehmen.

Hinweis: Das ist der erste Teil der fünfteiligen Investmentidee-Serie «Investieren in den grünen und sozialen Wandel»

Die komplexen und bis anhin nicht gänzlich bekannten Auswirkungen des neuen Coronavirus und dessen schnelle Verbreitung zeigen, wie abrupt sich gewohnte Lebensbedingungen verändern können. Man mag darüber streiten, ob das Virus seinen Ursprung in einem Wochenmarkt oder einem Forschungslabor in Wuhan oder bei chinesischen Pelzfarmen hat. Tatsache ist, dass die Ausbreitung des Menschen in den natürlichen Lebensraum von Wildtieren zu erheblichen, bisher ungeahnten Risiken führt.

 

Anzahl gefährdeter Spezies nach Gruppen
Anzahl gefährdete Spezies

Quellen: International Union for Conservation of Nature, VP Bank

Die Europäische Investmentbank (EIB) finanzierte im Zeitraum von 2012 bis 2020 Klimaschutzprojekte mit eigenen Kreditaufnahmen in Höhe von EUR 171 Mrd., insgesamt unterstützte sie damit ein Finanzierungsvolumen von mehr als EUR 670 Mrd. Im Rahmen der neu formulierten Strategie für Biodiversität der Europäischen Union unterstützt die EIB eine angestrebte jährliche Finanzierung von EUR 20 Mrd. bis 2030. Gemessen an den heutigen Herausforderungen ist jedoch selbst diese hohe Summe lediglich ein Tropfen auf den heissen Stein. Der privat finanzierte US-Think-Tank namens Paulson-Institute schätzt die jährliche Finanzierungslücke auf USD 711 Mrd., um die globale Biodiversität grundlegend zu unterhalten. Die Dringlichkeit des Klima- und Naturschutzes wird durch eine Schätzung der OECD verdeutlicht: Das globale natürliche Umfeld generiert demnach einen geschätzten gesellschaftlichen Nutzen von USD 125 bis 140 Bio. pro Jahr, das entspricht etwa dem 1.5 fachen des weltweiten Bruttoinlandprodukts (BIP). In der Industrie ist etwa die Hälfte der globalen Wertschöpfung von natürlichen Ressourcen abhängig.

 

Geschätzter, ökonomischer Gesamtschaden bis 2050 durch den Klimawandel in % des Bruttoinlandsprodukts
Schäden Klimawandel

Quellen: Economist Intelligence Unit, VP Bank

Nur mit einem gesamtgesellschaftlichen Kraftakt lassen sich die, seitens der wichtigsten Wirtschaftsregionen gesteckten Nachhaltigkeitsziele erreichen. Die Herausforderungen liegen dabei vor allem in ländlichen und regionalen Strukturen. Bis zum Jahr 2050 taxiert die OECD den volkswirtschaftlichen Schaden der Naturdegeneration auf USD 23 Bio., wovon laut der Economist Intelligence Unit, einem Recherchedienst des gleichnamigen Wochenmagazins, der Klimawandel USD 7.9 Bio ausmacht. Vor allem Schwellenländer sind hier überproportional betroffen, angeführt von Afrika. Nicht nur die Instabilität der Region, auch das hohe Bevölkerungswachstum stellen eine aussergewöhnliche Schwierigkeit dar. So verwundert es nicht, dass sich bereits 120 Länder zu einer Netto-Null-Strategie bezüglich CO2-Ausstoss verpflichtet haben (mehr zur CO2-Reduktion gibt es in Teil 3 der Serie «Erneuerbare Energien und Kreislaufwirtschaft»). Dass die Deutsche Umweltstiftung eine Bürgerinitiative vorantreibt, den Schutz der Natur in der bayrischen Verfassung zu verankern, kann nur als logische Konsequenz gesehen werden. Diese Initiative folgt den Beispielen Australiens, Neuseelands, Chiles, Ecuadors aber auch Indiens, die der Natur bereits konstitutionelle Rechte in ihren Verfassungen verankert haben.

Ohne Wasser kein Leben

Wasser kommt unter den natürlichen Ressourcen die wohl bedeutendste Rolle zu. Im Weltwasserwirtschaftsbericht der Vereinten Nationen von 2018 wird festgehalten, dass bis 2050 bis zu 6 Milliarden Menschen mit Wasserknappheit konfrontiert sind. Gründe hierfür sind ein höherer Wasserbedarf, die Verringerung der Trinkwasserressourcen sowie die zunehmende Wasserverunreinigung, angetrieben, durch ein stark steigendes Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum. Bis 2050 wird ein Anstieg der Nahrungsmittelnachfrage um 60 % erwartet. Dies erhöht zusätzlich den Druck auf die Landwirtschaft, die bereits heute 70 % der globalen Wassernachfrage ausmacht.

Die Industrie nimmt 20 % der Wasserressourcen für sich in Anspruch, wobei die regionalen Entwicklungen stark unterschiedlich sind. Gerade in aufstrebenden Schwellenländern, die bereits heute Wasserknappheit verspüren, steigt der industrielle Wasserbedarf überproportional. Für Afrika wird ein Zuwachs in Höhe von 800 %, in Asien von 250 % erwartet. Der weltweite Wasserbedarf für die Produktion vervierfacht sich.

Der politische wie gesellschaftliche Druck auf global tätige Unternehmen, die in den Schwellenländern viel Wasser konsumieren, wird zunehmen. Das betrifft den Abbau von Rohstoffen genauso wie den Wasserbedarf von Getränkeherstellern und Nahrungsmittelproduzenten. Beispielsweise gehen 65 % des Trinkwasserverbrauchs in Chile auf Rohstoffförderung zurück, während die natürlichen Trinkwasservorräte auf historische Tiefststände gesunken sind.

Betrachtet man die globale Wertschöpfung, so sind drei von vier Arbeitsplätzen direkt oder indirekt von Wasser abhängig. Wasserknappheit, oder eingeschränkter Zugang dazu sowie Verschmutzung wirken sich mittelbar auf das globale Wirtschaftswachstum aus. Dennoch sind viele Staaten von einer umfassenden, ökologisch nachhaltigen Agenda noch weit entfernt. Betrachtet man die stark wasserabhängige Landwirtschaft, so subventionieren die Regierungen weltweit umweltschädliche Massnahmen in Höhe von USD 345 Mrd pro Jahr. Laut der britischen Zeitung «The Guardian» werden eine Million US-Dollar staatlicher Fördermittel pro Minute für Düngemittel, Abholzung und Landkultivierung aufgewendet. Eine Umleitung dieser Gelder wird dabei dringend gefordert.

Lösungen zur Schonung von Grundwasser-Reservoirs werden vor allem von der technologischen Weiterentwicklung der mobilen Stromspeicherung zu erwarten sein. Intensive Forschungen bezüglich der Verwendung alternativer Rohstoffe wie Natrium, Silizium aber auch Aluminium und Zink werden bereits betrieben. Lithium wird dennoch dauerhaft ein zentrales Element von Batterien bleiben. Seitens der Erforschung von Feststoffbatterien erhofft man sich einen deutlichen Technologiesprung.

Weniger ist mehr

Bei der Ablösung von fossilen Brennstoffen mit erneuerbaren Energien nimmt die Elektrifizierung viel Raum ein. Photovoltaik, Solar- und Windenergie, elektrische Fahrzeuge und Schienenverkehr sind elementare Bestandteile der Dekarbonisierungstrategie vieler Staaten. Doch nichts ist umsonst: Die erforderlichen Versorgungseinrichtungen wie Solar- und Windparks genau wie Speichermedien sorgen für eine überproportionale Nachfrage nach anderen Rohstoffen. Nehmen wir als Beispiel Aluminium, dessen Nachfrage zu 90 % von sogenannten «grünen Industrien» stammt und für die Dekarbonisierung von zentraler Bedeutung ist. Neben dem geringen Gewicht sind es die besonderen physikalischen, chemischen sowie mechanischen Eigenschaften, die das Industriemetall so wertvoll machen. Verbindet man es mit Legierungen wie Zink, Silizium oder Magnesium, entsteht eine bis zu dreimal so hohe Zugkraft wie sie Stahl aufweist. Aluminium bietet Lösungen für die Elektromobilität, die Luft- und Raumfahrtindustrie oder auch für Offshore-Windkraftturbinen. Der grüne Wandel löst bis 2030 einen jährlichen Nachfrageanstieg von 18 % aus. Doch die Aluminiumproduktion ist äusserst Energie- und CO2-intensiv und bereits heute für 2 % der weltweiten Treibhausgaserzeugung verantwortlich. Die Nachfrage nach weiteren, für die Null-Emissions-Strategie erforderlichen Rohstoffen wie Kupfer, Graphit, Magnesium, Zink, Cobalt oder Lithium explodiert gleichermassen.

 

Erforderliche Rohstoffe in kg pro Megawatt
Rohstoffe pro Kg

Quellen: Internationale Energieagentur (IEA), VP Bank

Die Bekämpfung des Klimawandels gleicht einem Paradox, indem das eine Übel mit einem anderen bekämpft wird. Begleitet wird dies von Erwartungen seitens der Internationalen Energie Agentur (EIA), dass der weltweite Energiebedarf in den kommenden Jahren um 50 % ansteigen wird. Sie stellt auch fest, dass zwei Drittel der erzeugten Energie während des Produktionsprozesses und auf dem Weg zum Endverbraucher verloren geht. Die zwangsläufige Erkenntnis daraus ist, dass es nicht ausreicht, den Schadstoffausstoss durch den Austausch der Energiequelle reduzieren zu wollen. Es ist eine komplette industrielle Revision nötig, die die Effizienz des regenerativen Energiemix einbezieht, den Transport, die Speicherung sowie den direkten und strukturellen Energieverbrauch. Für den transformativen Wandel veranschlagt die internationale Vereinigung erneuerbarer Energien (IRENA) eine Investitionssumme von USD 110 Bio. bis 2050. Mit 35 % entfällt der Grossteil in die Rubrik Energieeffizienz. Als Beispiel hier liegt in Europa der durchschnittliche Effizienzgrad erneuerbarer Energien bei circa 19 %. Rechnet man die Transportwege ein, so erreichen nur gerade 7 % der Primärenergiequelle die Batterie eines Elektrofahrzeuges. Samsung hat in der Entwicklung der Feststoffbatterie einen ersten Durchbruch erreicht. Das Unternehmen erwartet bis 2025 das Erreichen der Marktreife und stellt eine mindestens doppelt so hohe Energieeffizienz und eine deutlich verbesserte Sicherheit der Autobatterien in Aussicht.

Energieeffizienz ist eine Disziplin über die gesamte Wertschöpfungskette, von der Energiegewinnung bis hin zum Verbraucher. Das französische Unternehmen Legrand ist hierbei in der sogenannten «Smart Home»-Technologie Weltmarktführer. Dabei wird das Stromnetz innerhalb eines Gebäudekomplexes digital vernetzt. Das umfassende Überwachen des Elektrizitätsflusses erlaubt eine deutliche Reduktion der Stromnachfrage. Ein weiteres von vielen Beispielen bietet das Telekomunternehmen Telefonica. Es konnte durch das Einführen effizienter Infrastrukturen seit 2015 den Stromverbrauch um 14 % reduzieren und dies, obwohl die übertragene Datenmenge um 200 % anstieg. 

Industrieller Fortschritt

Der Anpassungsbedarf spiegelt sich in den Infrastrukturplänen grosser Wirtschaftsregionen wie Europa, USA und China. Diese beinhalten dabei auch Wertschöpfungsketten und somit das hohe Transportaufkommen von Halbfertigprodukten international tätiger Unternehmen. Zuckerbrot und Peitsche scheint das derzeitige Konzept einiger Länder zu sein. Mit der nun neu vorgestellten Initiative «Fit for 55», also der CO2-Reduktion bis zum Jahr 2030 um 55 % gegenüber 1990, wird die EU Kommission neben der Bepreisung von CO2 innerhalb der EU auch den grenzüberschreitenden Warenverkehr (Import wie Export) mit einer CO2-Abgabe belegen. Andererseits winken Subventionen für die Rückführung von ins Ausland verlagerter Produktionen. Die Optimierung des Transports hilft nicht nur Klimaziele zu erfüllen, sondern auch, Ressourcen zu schonen.

Eine der vielversprechenden Antworten aus der Industrie ist die additive Fertigung, bei der vor Ort das verarbeitende Material Schicht für Schicht aufgetragen und so dreidimensionale Gegenstände erzeugt werden. Dieser sogenannte 3D-Druck stellt mit der digitalen Transformation für die Industrie die Weichen neu. Die präzise Fertigung schont dabei Ressourcen und verkürzt Prozesschritte auf ein Minimum. Beim Autobauer General Motors zum Beispiel nimmt die Forschung an der additiven Fertigung bereits seit fast 20 Jahren einen hohen Stellenwert ein. Dank ihr erreicht GM bei Flugzeugmotoren bereits heute eine Treibstoffersparnis von bis zu 10 %. Die intensive Forschung und Weiterentwicklung geht dabei weiter. Neben den ökologischen Aspekten hat dies für General Motors auch wirtschaftliche Vorteile, denn die Industrie bezahlt Prämien für additiv hergestellte Teile. Seit 2003 kommen diese in der Luftfahrt, unter anderem in den Flugzeugmodellen Boeing 777 oder Airbus A350, zum Einsatz. 2020 startete das unbemannte Testflugzeug «Thor» von Airbus eigenständig; es besteht nahezu nur aus 3D-gedruckten Bestandteilen. Airbus optimiert mit diesen Erkentnissen das Gewicht, Design, den Verbrauch aber auch die Produktion seiner Flugzeuge. General Motors überträgt diese Kompetenz nun in die Automobilproduktion. Der Prototyp der 2020er Corvette wurde zu 75 % mit Komponenten aus dem 3D-Drucker gefertigt. Ersatzteile können vor Ort hergestellt werden und erübrigen den Transport. Noch wird das Verfahren nicht in der Massenproduktion eingesetzt, doch das Unternehmen erwartet sich dabei Kostenvorteile in der Produktion, Einsparungen in der Logistik aber auch erhöhte Flexibilität im Bereich der Wartung und des Service.

Fazit

Der fortschreitende Klimawandel sowie die Umweltschäden verursacht durch die Industrie zeichnen ein sehr belastendes Bild für die Natur sowie die Umwelt und stellen damit ein signifkantes Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung der Welt dar, wenn nicht gegengesteuert wird. Der konsequente Einsatz bereits vorhandener Technologien hat grosses Potenzial, dieser Entwicklung erfolgreich zu begegnen. Der industrielle Transformationsprozess und das sich daraus verändernde Konsumverhalten bergeninteressante Opportunitäten für mittel- bis langfristig agierende Investoren.

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